Experten sind sich einig: Das Beschatten von Fenstern ist die beste Prävention gegen sommerliche Überwärmung. Aber wie wirksam ist eine Beschattung, wenn man dennoch Tageslicht und Ausblick haben möchte? Ab sofort genügt seitens der Planer oder Energieberater die Vorgabe des erforderlichen gtot-Wertes aus der Normtabelle – der Bauherr oder Nutzer kann sich dann ganz einfach über alle in Frage kommenden Sonnenschutzvarianten beraten lassen und seine Wahl nach persönlichen Vorlieben treffen.
Seit der Jahrtausendwende haben sich die Tage, an denen Überwärmung droht mehr als verdoppelt. Das hat einerseits mit mehr Hitzetagen und längeren Hitzeperioden zu tun, andererseits sind aber auch gut gedämmte und luftdichte Gebäudehüllen in Kombination mit großzügigeren Glasflächen dafür verantwortlich. Denn die Vermeidung von Heizwärmeverlusten in der kühlen Jahreshälfte hat im Sommerfall zur Folge, dass die über die Fenster eingestrahlte Sonnenenergie im Gebäude bleibt und erst in der Nacht bei entsprechend niedrigen Außentemperaturen weggelüftet werden kann.
„An heißen Sommertagen muss die Zufuhr von direkter Sonne gedrosselt werden, damit der Wohnkomfort aufrecht erhalten bleibt. Ein unbeschattetes Fenster mit einer Größe von 2 m2 heizt mit 1 bis 1,5 kW – und das im Sommer! So wie eine energieeffiziente Wand eine gute Wärmedämmung benötigt, brauchen Fenster eine gute Dämmung gegen Überwärmung in Form variabler Beschattungen“, erklärt Ing. Johann Gerstmann, Sprecher des Bundesverbandes Sonnenschutztechnik.
Nachhaltiger Schutz gegen Überwärmung
Bestmöglicher Sonnenschutz untertags und effiziente Nachtauskühlung bilden von jeher die Grundlage für die Sommertauglichkeit und gewährleisten, dass Wohnbauten (Neubau und Sanierung) grundsätzlich auch ohne aktive Kühlung funktionieren. Gerstmann: „Der Schlüssel für nachhaltigen und sommertauglichen Wohnbau liegt also bei der Gebäudeplanung. Ein komfortables Raumklima durch aktives Kühlen zu bewerkstelligen, ist wenig nachhaltig, denn die beim Heizen eingesparte Energie wird dann im Sommer fürs aktive Kühlen wieder verbraucht!“ Nachdem Wohnbau – dem Stand der Technik entsprechend – ohne Kühlung sommertauglich sein sollte, wird der Energieverbrauch fürs Kühlen derzeit noch nicht erfasst – und das verfälscht die veröffentlichten Ergebnisse beim Energieeinsparen!
Die wichtigste passive Maßnahme, um untertags das Aufheizen von Gebäuden auf ein Minimum zu beschränken, ist von jeher der außenliegende, intelligent genutzte Sonnenschutz.
Eine Beschattung ist vor allem eine haustechnische Anlage zur Kühlprävention und als solche müssen Rollläden, Raffstore und Markisen – wie jede andere technische Anlage – auch planbar sein. Gerstmann: „Effektiver Sonnenschutz wird vor dem Fenster montiert! Wird raumseitig beschattet, ist die Sonnenenergie auch schon im Raum und kann kaum wieder nach außen abgestrahlt werden, denn moderne Fenster sind dafür gebaut, die Wärme möglichst im Raum zu halten.“ Am effektivsten ist der Sonnenschutz, wenn er zur Gänze geschlossen ist – aber ist das immer erwünscht? Gerstmann dazu: „Nein, das ist natürlich nicht immer erwünscht und notwendig. Denn es ist kontraproduktiv, am helllichten Tag das Kunstlicht einzuschalten und den Kontakt zur Außenwelt komplett zu verlieren. Und notwendig deshalb nicht, weil Räume durchaus einen mäßigen Wärmeeintrag vertragen. Um die Tageslichtversorgung und den Ausblick bei gleichzeitigem Hitzeschutz dennoch sicherzustellen, reicht es beispielsweise, die Lamellen so zu justieren, dass die Glasfläche keine direkte Sonne abbekommt. Bei Fassadenmarkisen wählt man einen perforierten Stoff und bei Rollläden kann es ausreichend sein, wenn sie zu dreiviertel herabgefahren werden.“
Sonnenschutz sicher und einfach dimensionieren
Analog zum U-Wert, der die Wärmedämmung eines Fensters charakterisiert, kommt es beim Schutz gegen Überwärmung auf den gtot-Wert an: Dieser gibt Auskunft über den Gesamtenergiedurchlass des Systems aus Fenster und Beschattung. Liegt er bei 0,10 so werden 10 % der eingestrahlten Sonnenenergie im Raum wirksam und 90 % gar nicht ins Gebäude eingelassen. Die solare Wärme muss daher auch nicht weggekühlt werden. Eine gute Beschattung lässt in Verbindung mit einem Wärmeschutzglas (U ≤ 1,5 W/m2K) je nach Behangart und -farbe 3 bis 20 % Energie durch.
Normen dokumentieren den Stand der Technik und werden deshalb alle paar Jahre entsprechend angepasst. Anfang dieses Jahres wurde der technologischen Weiterentwicklung bei Verglasungen und Beschattungen in der ÖNORM B8110-6-1 Rechnung getragen und zugleich die bisher sehr kompliziert gestaltete Ermittlung des Energieeintrages nach ÖNORM B 8110-3 ganz wesentlich vereinfacht. Der bisher gebräuchliche Abschattungsfaktor Fc wurde abgeschafft, denn der gtot-Wert ist auch für Nicht-Bauphysiker einfach zu begreifen. Mit der neuen Norm soll einerseits der Endverbraucher die Wirkung des Sonnenschutzes richtig einordnen können und zum anderen die übliche Nutzung – also auch Beschattung mit Tageslichtnutzung und Ausblick abgebildet werden. Gerstmann: „Bisher galt die Grundregel: Helle Behänge sind aufgrund der höheren Reflexionswerte wirksamer als dunkle. Das stimmt zwar für Innenbeschattungen noch immer, nicht aber für Außenbeschattungen. Naturgemäß heizen dunkle Behänge stärker auf als helle, aber Wärmeschutzfenster verhindern nicht nur das Entweichen wertvoller Heizwärme im Winter, sondern reduzieren im Sommer auch den Wärmefluss vom Sonnenschutz in den kühleren Innenraum. Dunkelfarbige Oberflächen in Verbindung mit Wärmeschutzglas sind heute mindestens genauso wirkungsvoll wie helle!“
Sonnenschutzplanung einfach gemacht
In Österreich betreffen 85 % der Baueinreichungen den privaten Wohnbau. Um die Sommertauglichkeit eines Gebäudes im Energieausweis nachzuweisen, musste man bisher unter anderem schon in der Planungsphase das System aus Glas und Beschattung ziemlich genau festlegen. Jetzt genügt es, dass der Planer oder Energieberater einfach den erforderlichen gtot-Wert aus der Normtabelle vorgibt – die Endverbraucher können sich dann über alle in Frage kommenden Sonnenschutzvarianten beraten lassen und die Wahl nach persönlichen Vorlieben treffen!
Basis dieser Vereinfachung war ein grundlegendes Hinterfragen der bisherigen Methode. Wesentlich ist, dass sich der Energieeintrag gtot aus dem Licht- und Wärmeeintrag zusammensetzt, wobei der Lichteintrag von der Lichtdurchlässigkeit der Beschattung und der Wärmeeintrag vom U-Wert der Verglasung bestimmt wird. Damit konnten in der ÖNORM B8110-6-1 sehr übersichtlich gestaltete Tabellen für den außenliegenden und innenliegenden Sonnenschutz entwickelt werden.
Gerstmann: „Das Würfeln um den korrekten Abschattungswert von Raffstoren, Rollläden und Fassadenmarkisen hat nun ein Ende! Oft ist weniger mehr und besser!“
Der Raum zählt
Im Endeffekt zählt bei der Wahl des richtigen Sonnenschutzes die Funktion, die er erfüllen soll. Gerstmann: „In jeden Raum spielt der Sonnenschutz eine andere Rolle: Das Schlafzimmer sollte möglichst gut verdunkelt werden können, weil das die Grundvoraussetzung für gesunden Schlaf ist. Im Wohnzimmer will man möglichst viel Tageslicht haben und die Umgebung wahrnehmen, am Abend wiederum nicht den neugierigen Blicken ausgesetzt sein – es geht also auch um Sicherheit und Privatsphäre.“ Und nicht zuletzt tragen Beschattungen zum Erscheinungsbild eines Gebäudes bei.
BVST Presseaussendung
Text: ikp für den BVST
April 2019